Der Datenschutz bietet Betroffenen starke Rechte – aber darf man ihn zum Mittel der Akquise oder gar zum Geschäftsmodell machen? Ein Urteil des Amtsgerichts Mainz (AG Mainz, Urt. v. 13.05.2024 – 93 C 3/24) setzt genau hier ein deutliches Zeichen gegen den Missbrauch datenschutzrechtlicher Ansprüche zu rein wirtschaftlichen Zwecken.
Der Fall: „Hinweis, Angebot – und dann die Abmahnung“
Ein selbstständiger Webdesigner hatte sich darauf spezialisiert, Webseiten von Zahnarztpraxen systematisch auf vermeintliche Verstöße gegen die DSGVO zu überprüfen. Wurde er fündig, folgte eine E‑Mail an die jeweilige Praxis – verbunden mit einem „technischen Gutachten“ und dem kostenpflichtigen Angebot, den Mangel zu beheben. Wer darauf nicht einging, erhielt eine zweite Nachricht: diesmal mit dem Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO sowie Forderungen nach Datenlöschung und Schmerzensgeld.
Das Ziel war klar: Entweder die Praxis kauft eine Dienstleistung – oder sie wird mit datenschutzrechtlichen Ansprüchen überzogen.
Das Urteil: DSGVO ja – aber nicht zur Selbstbereicherung
Ein betroffener Zahnarzt wehrte sich – und das Amtsgericht Mainz gab ihm recht. Die Richter erkannten im Vorgehen des Webdesigners einen klaren Rechtsmissbrauch. Zwar sei die Geltendmachung von Betroffenenrechten grundsätzlich legitim – nicht jedoch, wenn sie ausschließlich der wirtschaftlichen Interessenverfolgung dient und nicht auf einer tatsächlichen persönlichen Betroffenheit beruht.
Das Gericht lehnte sämtliche Forderungen des Webdesigners ab – einschließlich der Zahlung von 1.160 Euro für das angeblich angefertigte Gutachten sowie eines geforderten Schmerzensgeldes. Auch ein Anspruch auf Datenlöschung bestehe nicht.
DSGVO ist kein Werkzeug für verdeckte Abzocke
Besonders deutlich wurde das Gericht in der Begründung:
„Die DSGVO ist nicht dazu da, um durch gezielte Einschüchterung Geschäfte zu generieren oder unbeteiligte Dritte zu Zahlungen zu bewegen.“
Es fehle bereits an der Legitimation, da der Webdesigner keinerlei konkrete Betroffenheit durch die beanstandete Website dargelegt hatte. Die E‑Mails seien ausschließlich werblicher Natur gewesen – eine Datenschutzverletzung wurde lediglich nachgeschoben, sobald das Angebot abgelehnt wurde.
Was bedeutet das für die Praxis?
Das Urteil dürfte für viele Unternehmen, Apotheken, Arztpraxen und Freiberufler eine Erleichterung sein. Es schützt vor dem Missbrauch eines an sich wichtigen Instruments – nämlich der Geltendmachung von Datenschutzrechten – zur kommerziellen Druckausübung.
Dennoch gilt:
Datenschutzverstöße sollten ernst genommen werden.
Auskunftsersuchen sind korrekt zu bearbeiten.
Aber: Wer aus dem Datenschutz ein Druckmittel macht, riskiert selbst eine Niederlage vor Gericht.
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