In Zei­ten zuneh­men­der Digi­ta­li­sie­rung ver­än­dert sich auch der Umgang mit sen­si­blen per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten – und das stellt alle Berufs­an­ge­hö­ri­gen, die der Schwei­ge­pflicht gemäß § 203 Straf­ge­setz­buch (StGB) unter­lie­gen, vor neue Her­aus­for­de­run­gen. Ob Ärz­tin­nen und Ärz­te, Apo­the­ke­rin­nen und Apo­the­ker, Psy­cho­the­ra­peu­tin­nen und Psy­cho­the­ra­peu­ten, Rechts­an­wäl­te, Steu­er­be­ra­ter oder Sozi­al­päd­ago­gen – für sie alle gilt: Der Schutz ver­trau­li­cher Infor­ma­tio­nen ist nicht nur eine ethi­sche Ver­pflich­tung, son­dern auch eine straf­recht­lich sank­tio­nier­te Pflicht.

Digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on, elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­ten, Tele­me­di­zin, beA, KIM, Cloud-Diens­te und mobi­le End­ge­rä­te eröff­nen neue Chan­cen für die Orga­ni­sa­ti­on und Effi­zi­enz im Berufs­all­tag – gleich­zei­tig ent­ste­hen aber auch neue Risi­ken für die Ver­trau­lich­keit und Inte­gri­tät sen­si­bler Daten.

  1. Was bedeu­tet Schwei­ge­pflicht nach § 203 StGB im digi­ta­len Zeit­al­ter?
  •  203 StGB schützt das beson­de­re Ver­trau­ens­ver­hält­nis zwi­schen Berufs­ge­heim­nis­trä­gern und ihren Pati­en­ten, Man­dan­ten oder Kli­en­ten. Das Gesetz unter­sagt die unbe­fug­te Offen­ba­rung frem­der Geheim­nis­se, die Berufs­ge­heim­nis­trä­gern „berufs­mä­ßig anver­traut oder sonst bekannt gewor­den“ sind. Dazu zäh­len ins­be­son­de­re Infor­ma­tio­nen zur Gesund­heit, wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen, fami­liä­ren Hin­ter­grün­den oder recht­li­chen Pro­ble­men.

Ein Ver­stoß gegen die­se Schwei­ge­pflicht kann mit Frei­heits­stra­fe bis zu einem Jahr oder mit Geld­stra­fe geahn­det wer­den. In vie­len Fäl­len dro­hen dar­über hin­aus berufs­recht­li­che und stan­des­recht­li­che Kon­se­quen­zen.

  1. Berufs­recht­li­che Ergän­zun­gen durch Kam­mer­ord­nun­gen

Die ein­zel­nen Kam­mern (z. B. Ärz­te­kam­mern, Apo­the­ker­kam­mern, Psy­cho­the­ra­peu­ten­kam­mern, Rechts­an­walts­kam­mern, Steu­er­be­ra­ter­kam­mern) haben ergän­zend zu § 203 StGB berufs­recht­li­che Ver­pflich­tun­gen zur Ver­schwie­gen­heit erlas­sen, dar­un­ter:

  • Berufs­ord­nung für Ärz­te (§ 9 BO‑Ä): Ärz­te sind ver­pflich­tet, über alles, was ihnen in ihrer Eigen­schaft bekannt wird, zu schwei­gen, auch über den Tod der Pati­en­tin oder des Pati­en­ten hin­aus.
  • Berufs­ord­nung der Apo­the­ker (§ 4 BO-ApK): Apo­the­ker haben über alle pati­en­ten­be­zo­ge­nen Infor­ma­tio­nen Ver­schwie­gen­heit zu wah­ren.
  • Berufs­ord­nung der Psy­cho­the­ra­peu­ten: Schwei­ge­pflicht gemäß § 203 StGB gilt unein­ge­schränkt, auch gegen­über Ange­hö­ri­gen.
  • Berufs­ord­nung für Rechts­an­wäl­te (§ 43a BRAO i. V. m. § 2 BORA): Anwäl­te sind zur abso­lu­ten Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet.
  • Steu­er­be­ra­ter­ge­setz (§ 57 StBerG): Steu­er­be­ra­ter haben Ver­schwie­gen­heit über alle ihnen in Aus­übung ihres Beru­fes bekannt gewor­de­nen Tat­sa­chen zu bewah­ren.

Die­se berufs­recht­li­chen Vor­ga­ben sind unab­hän­gig vom Straf­recht und kön­nen bei Ver­stö­ßen zu Maß­nah­men der Kam­mern füh­ren – von Abmah­nung über Geld­bu­ßen bis hin zum Ent­zug der Berufs­zu­las­sung.

  1. Digi­ta­li­sie­rung – neue Chan­cen, neue Risi­ken

Beruf­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on erfolgt zuneh­mend digi­tal. Das bringt Effi­zi­enz, aber auch erheb­li­che daten­schutz- und schwei­ge­pflicht­be­zo­ge­ne Risi­ken mit sich:

  • E‑Mail-Kom­mu­ni­ka­ti­on ohne Trans­port- oder Inhalts­ver­schlüs­se­lung
  • Mes­sen­ger-Diens­te (z. B. Whats­App, Tele­gram) im beruf­li­chen Kon­text
  • Spei­che­rung in unsi­che­ren Cloud-Diens­ten ohne AV-Ver­trag
  • Mobi­le End­ge­rä­te (Smart­phone, Tablet) ohne aus­rei­chen­den Zugriffs­schutz
  • Nut­zung von Online­platt­for­men oder Video-Calls mit unkla­rer Daten­ver­ar­bei­tung

Sol­che Sze­na­ri­en kön­nen zu einem unbe­fug­ten Offen­ba­ren füh­ren – ob absicht­lich oder fahr­läs­sig spielt kei­ne Rol­le. § 203 StGB ist tech­nisch neu­tral – die Pflicht zur Geheim­hal­tung gilt auch digi­tal.

  1. Vor­aus­set­zun­gen für digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on unter Wah­rung der Schwei­ge­pflicht

Zuläs­sig ist die Ver­ar­bei­tung und elek­tro­ni­sche Über­mitt­lung ver­trau­li­cher Daten nur, wenn alle Sicher­heits­vor­ga­ben ein­ge­hal­ten wer­den:

  • Ver­schlüs­se­lung der Kom­mu­ni­ka­ti­on (Trans­port und Inhalt)
  • Zugriffs- und Authen­ti­fi­zie­rungs­schutz (z. B. 2‑Fak­tor-Authen­ti­fi­zie­rung)
  • Ver­trag­li­che Rege­lun­gen mit IT-Dienst­leis­tern (z. B. AV-Ver­trag, Ver­pflich­tung auf Ver­trau­lich­keit)
  • Doku­men­ta­ti­on der Daten­ver­ar­bei­tung (gemäß DSGVO und berufs­recht­li­chen Vor­ga­ben)
  • Schrift­li­che Ein­wil­li­gung der betrof­fe­nen Per­son, sofern kei­ne gesetz­li­che Grund­la­ge besteht
  • Tech­nisch-orga­ni­sa­to­ri­sche Maß­nah­men (TOMs) gemäß Art. 32 DSGVO

Im Zwei­fel gilt: Je sen­si­bler die Infor­ma­ti­on, des­to höher die Anfor­de­run­gen an den Schutz.

  1. Emp­feh­lun­gen für Berufs­ge­heim­nis­trä­ger

✔ Nut­zen Sie aus­schließ­lich zer­ti­fi­zier­te, daten­schutz­kon­for­me Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­te­me (z. B. KIM, beA, DE-Mail mit End-to-End-Ver­schlüs­se­lung)
✔ Ver­sen­den Sie kei­ne unver­schlüs­sel­ten E‑Mails mit ver­trau­li­chen Infor­ma­tio­nen
✔ Ver­wen­den Sie beruf­lich zuge­las­se­ne Mes­sen­ger-Diens­te mit ent­spre­chen­der Kon­fi­gu­ra­ti­on
✔ Schlie­ßen Sie mit exter­nen Dienst­leis­tern stets Ver­trau­lich­keits- und Auf­trags­ver­ar­bei­tungs­ver­trä­ge
✔ Schu­len Sie Mit­ar­bei­ten­de regel­mä­ßig zur Schwei­ge­pflicht im digi­ta­len Umfeld
✔ Füh­ren Sie ein inter­nes Ver­zeich­nis über ein­ge­setz­te Sys­te­me und deren Sicher­heits­stan­dards
✔ Zie­hen Sie bei Unsi­cher­hei­ten früh­zei­tig den Daten­schutz­be­auf­trag­ten oder Ihre Kam­mer hin­zu

Fazit: Schwei­ge­pflicht endet nicht beim Bild­schirm­rand

Ver­trau­lich­keit ist das Fun­da­ment beruf­li­cher Ver­trau­ens­ver­hält­nis­se – und sie endet nicht an der digi­ta­len Schnitt­stel­le. Die Nut­zung moder­ner Tech­no­lo­gien ist will­kom­men, solan­ge sie daten­schutz­ge­recht und berufs­recht­lich zuläs­sig erfolgt. Wer sich nicht an die Regeln hält, ris­kiert straf­recht­li­che Ver­fol­gung, Kam­mer­ver­fah­ren und den Ver­lust des Berufs­an­se­hens.

Der sorg­fäl­ti­ge Umgang mit sen­si­blen Daten, die Bera­tung durch Daten­schutz­be­auf­trag­te und die regel­mä­ßi­ge Fort­bil­dung in digi­ta­len Sicher­heits­the­men gehö­ren daher zum ver­ant­wor­tungs­vol­len Berufs­ver­ständ­nis aller Schwei­ge­pflichtsbe­ru­fe im digi­ta­len Zeit­al­ter.